Gastbeitrag - Krankschreibung nach Kündigung des Arbeitnehmers

Wir freuen uns, Ihnen den dritten Gastbeitrag unserer Partner, der Kanzlei Pöppinghaus : Schneider : Haas Rechtsanwälte PartGmbB, zum Thema Arbeitsrecht zur Verfügung stellen zu können.

Wird ein Arbeitnehmer, der sein Arbeitsverhältnis kündigt, am Tag der Kündigung arbeitsunfähig krankgeschrieben, kann dies den Beweiswert der ärztlichen Bescheinigung insbesondere dann erschüttern, wenn die bescheinigte Arbeitsunfähigkeit passgenau die Dauer der Kündigungsfrist umfasst.


BAG, Urteil vom 08.09.2021 – Az.: V AZR 149/21

Die ordnungsgemäß ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eines Arztes ist das gesetzlich ausdrücklich vorgesehene und insoweit wichtigste Beweismittel für das Vorliegen einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit, die den Arbeitgeber dazu verpflichtet, Arbeitsentgelt zu bezahlen, obwohl der Arbeitnehmer für den entsprechenden Zeitraum keine Arbeitsleistung erbringt. Das BAG weist darauf hin, dass die ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung keine gesetzliche Vermutung begründe. Der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung komme ein hoher Beweiswert in dem Sinne zu, dass der Tatrichter normalerweise den Beweis einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit als erbracht ansehen kann, wenn eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt wird.

Der Arbeitgeber kann also seiner Pflicht zur Entgeltfortzahlung nicht dadurch entgehen, dass er einfach die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit des Arbeitsnehmers bestreitet. Er kann den Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung allerdings dadurch er-schüttern, dass er tatsächliche Umstände darlegt (und im Bestreitensfall beweist), die Zweifel an der Erkrankung des Arbeitnehmers ergeben, was dann zur Folge hat, dass der ärztlichen Bescheinigung kein Beweiswert mehr zukommt. Nicht nur die in § 275 I a SGB V aufgeführten Regelbeispiele ernsthafter Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers stehen ihm dabei zur Seite. Die gesetzliche Regelung ist insoweit nicht abschließend.

Der Beweiswert einer ärztlichen Bescheinigung kann auch durch die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung selbst erschüttert werden. Das BAG hat die Beweiswürdigung der Vorinstanz mit der Begründung gerügt, die streitgegenständliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, die zugleich mit der Kündigung vom selben Tage beim Arbeitgeber eingereicht wurde, decke sich passgenau mit der Kündigungsfrist bzw. der verbleibenden Dauer des Arbeitsverhältnisses. Auf Grundlage dieses Sachverhaltes sei davon auszugehen, dass der Beweiswert der vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert sei. Dies ergebe sich aus der „passgenauen“ zeitlichen Koinzidenz zwischen bescheinigter Arbeitsunfähigkeit und dem Beginn und dem Ende der Kündigungsfrist.

In der Folge trage der Kläger/der Arbeitnehmer die volle Darlegungs- und Beweislast für das Bestehen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit als Voraussetzung für die Entgeltfortzahlung während der Krankheit. Hieran fehle es aber. Der klagende Arbeitnehmer habe insoweit nichts vorgetragen oder unter Beweis gestellt, was bei objektiver Würdigung des Sachverhaltes überzeugen könne.

In diesem Sinne hat auch das LAG Nürnberg im Urteil vom 27.07.2021 – Az.: 7 Sa 359/20 – entschieden. In dem vom LAG Nürnberg entschiedenen Fall hatte der Arbeitgeber Urlaub für die Zeit vom 03.04. bis 09.04. des Jahres angeordnet, womit alle Mitarbeiter auch einverstanden waren.

Betriebsbedingt hatte der Arbeitgeber dann den bewilligten Urlaub widerrufen, was – dies war unstreitig – seine Mitarbeiter nicht bzw. nur widerwillig akzeptieren wollten. Sie hatte zudem in einer „gemeinsamen abgesprochenen Aktion“ Anfang April des Jahres dem Arbeitgeber über einen Kurznachrichtendienst jeweils das Bild einer geplanten Anzeige über die Praxisschließung für die Zeit vom 03.04. bis 09.04. des Jahres – also in der Zeit des ursprünglich beabsichtigten Urlaubs – hier mit dem Text: „Wir machen Urlaub. Ihr Praxisteam“ übersandt. Alle von dem Urlaubswiderruf des Arbeitgebers betroffenen Mitarbeiter „erkrankten“ arbeitsunfähig in dieser Zeit und belegten dies durch entsprechende ärztliche Bescheinigungen. Das LAG Nürnberg sah unter Berücksichtigung dieses Sachverhaltes den Beweiswert der vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung als erschüttert an. Im Prozess wurde die behandelnde Ärztin als Zeugin vernommen. Das Gericht hielt die Aussage der Ärztin für wenig glaubhaft. Die Zeugin sei erkennbar bemüht gewesen, zugunsten der Klägerinnen auszusagen. Zudem habe die Zeugin die Mitarbeiterinnen wegen der Pandemie nicht persönlich untersucht und konnte nach eigener Aussage keine aus eigener Anschauung gewonnenen Erkenntnisse zum Gesundheitszustand der Klägerinnen vorweisen.

Wir danken Herrn Philipp Schneider, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Verkehrsrecht, der uns freundlicherweise alle drei Beiträge zur Verfügung gestellt hat und freuen uns Ihnen auch zukünftig wieder Themen zum Arbeitsrecht zur Verfügung stellen zu können.

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